2.4.3.2
Seelsorge in Empfangsstellen für Asylsuchende: Leitbilda)
Seelsorge als Hinwendung zum Mitmenschen erfordert von den Seelsorgenden die Bereitschaft und die Offenheit zum Gespräch mit allen Menschen, besonders auch gegenüber Menschen in Not oder die sich aus andern Gründen nicht ausdrücken können, unabhängig welcher Religion oder Kultur sie angehören.
b)
Seelsorge bedeutet, den Andern annehmen so wie er ist, um ihn zu begrüssen und zu begleiten. Die Asylsuchenden, denen die Seelsorgenden begegnen, sind in der kurzen Zeit des Zusammentreffens als Gäste zu betrachten.
c)
Seelsorge heisst, den Andern anhören, ihn ernst nehmen, selbst wenn es uns schwer fällt, ihn zu verstehen. Die Seelsorgenden zeigen damit, dass sie bereit sind, dem Asylsuchenden beizustehen und laden ihn ein, sich ihnen mit seinen Sorgen zu öffnen.
d)
Den Mitmenschen ernst nehmen, heisst, den Menschen als Ganzes zu verstehen. Seelsorge geht ein auf die geistig-seelisch-körperlichen Bedürfnisse des Menschen. Die seelischen Bedürfnisse sind ebenso wichtig wie die körperlichen. Seelsorgende gehen darauf ein, dass Menschen in verschiedenen Religionen und Kulturen seelische und körperliche Nöte im Gebet ausdrücken.
e)
Seelsorge informiert und ermutigt die Asylsuchenden, ihr Bewusstsein zu stärken, damit sie sich in einer fremden Welt besser orientieren und entscheiden können. Seelsorge bringt sie je nach ihren Wünschen und Bedürfnissen mit andern Menschen oder Organisationen in Verbindung.
f)
Seelsorge ist ein sehr vielfältiger Dienst. Dazu gehört das Wahrnehmen und Weiterleiten von verschiedensten Bedürfnissen. Deshalb pflegen die Seelsorgenden auch Kontakte innerhalb und ausserhalb der EVZ. Sie vernetzen sich beispielsweise pro-aktiv mit der Leitung der sowie mit den anderen Akteuren in den EVZ, mit den Rechtsberatungsstellen und Anlaufstellen für Asylsuchende, mit Asyl- und Sozialfürsorgestellen, mit Rückkehrberatungsstellen, mit Kirchen oder religiösen Organisationen (vgl. auch Rahmenvereinbarung Art. 2.4).
g)
Seelsorge heisst, dass Asylsuchende in ihrer Eigenverantwortung und ihrem Selbstvertrauen gestärkt werden und der Respekt vor der Persönlichkeit gefördert wird.
h)
Seelsorge bedeutet, dass man als Seelsorgende vertraut wird mit dem, was Menschen erlebt haben und jetzt erleben und man als kritischer Zeuge von seinem Glauben her sich einsetzt für Menschen in ihren konkreten Situationen und Schwierigkeiten.
i)
Seelsorge ist vertraulich auszuüben. Der Seelsorgende untersteht der gesetzlichen Schweigepflicht (nach Art. 32. Abs. 1 StGB).
j)
Neben der Ausbildung als Seelsorgende ist die Weiterbildung in interkultureller Begleitung, im Asylverfahren und Asylwesen in der Schweiz und auf europäischer Ebene Grundvoraussetzung für die Seelsorge in Empfangsstellen und Flughäfen. Zusätzlich ist die Erfahrung im Fremdsein (z. B. Auslandsaufenthalt) wünschenswert. Ebenfalls wichtig sind Fremdsprachenkenntnisse.
k)
Seelsorgende und die Leitung der EVZ sind gegenseitige Ansprechpartner. Gegenüber Behörden und staatlichen Organen pflegen sie einen kooperativen Umgangsstil. Die Seelsorgenden legen Anliegen, die unter diesen PartnerInnen nicht einer einvernehmlichen Lösung zugeführt werden, den jeweiligen Vertretenden der Kirchen und des SIG im EVZ- Ausschuss vor.
l)
Die Seelsorgenden arbeiten zusammen. Sie treffen sich dazu regelmässig auf gesamtschweizerischer Ebene. Die Ziele dieser Treffen sind vor allem: Austausch von Erfahrungen, Schwierigkeiten und Fragen; gegenseitige Ermutigung und kritisches Hinterfragen; gemeinsame Arbeit an Themen und wichtigen Punkten betreffend Seelsorge (u. a. zu theologischen, ethischen und asylpolitischen Grundfragen).